Marie-Theres Scheffczyk über Hermann Wiehl

Marie-Theres Scheffczyk ist Kunsthistorikerin, Dozentin für Kunstgeschichte und Herausgeberin verschiedener Kunstbücher, u.a.

"Hermann Wiehl - ein wiederentdeckter Maler",  Weltkunst, Nr. 18, 1995, S. 2432 - 2433

Zu Recht wiederentdeckt – der Maler Hermann Wiehl

Im Umfeld einer Kunstmetropole wäre die Bedeutung des Malers „Hermann Wiehl“ (1900-1978) wohl bald erkannt worden. Doch er lebt in dem abgelegenen Schwarzwaldort St. Georgen, und so gerät sein Werk nach seinem Tod rasch in Vergessenheit.

Dem Kunsthändler und Galeristen „Roland Roeder“, der den Maler Anfang der 90er Jahre wiederentdeckt, ist es zu danken, dass Wiehls Bilder inzwischen zunehmend hohe Beachtung finden. Bereits die erste große Wiehl-Ausstellung im Frühjahr 1995 am Bodensee auf der Höri im Hermann-Hesse-Haus stößt auf starke Resonanz. Auch das Fernsehen des SWF berichtet ausführlich darüber. Ein von Roeder herausgegebener umfänglicher Bildband ist bereits in zweiter erweiterter Auflage erschienen. Der jährliche Wiehl-Kalender, von Roeder aufwendig gedruckt, ist gefragt. Auf Covers mehrerer Klassik-CD’s bei  Emi begegnen Wiehl-Motive.

Wiehl, der auf Grund eines nationalsozialistischen Verbots während des zweiten Weltkrieges seine Arbeiten weder ausstellen noch verkaufen durfte, hat sich mit der neuen Farbsprache des Expressionismus und mit der neuen Formensprache des Kubismus auseinandergesetzt. Ausgerüstet dazuhin mit solidem Können im hergebrachten, figürlichen Darstellen, entwickelt er große stilistische Vielseitigkeit. Das führt jedoch nicht zu willkürlichem Stilpluralismus. Vielmehr schwingt in allen Arbeiten die Handschrift seiner ausdrucksstarken, lebensbejahenden Künstlerpersönlichkeit, die expressives Welterfassen mit geistiger Weltdurchdringung in eins bringt. Viele seiner Arbeiten können sich qualitativ neben Werken der ersten Expressionistengeneration selbstverständlich behaupten.

Besonderen Stellenwert haben bei Wiehl die Motive seiner Heimat. Kein Maler vor ihm hat den Schwarzwald so gesehen wie er. Abgerückt vom vordergründig Sichtbaren, legt er beeindruckend die Schwerblütigkeit dieser Landschaft offen. Dank Freundschaft mit seinem Lehrer Otto Dix, der auf der Höri lebt, malt Wiehl auch vielfach am Bodensee. Dieser Landschaft prägt er ebenfalls zunehmend seine expressive, künstlerische Handschrift auf. Er rückt den See ab von der vielgesehenen, heiter stillen Lyrik, gibt ihn als machtvolles Kraftfeld von Formen und Farben, in denen sich des Malers ganze Intensität seines Empfindens widerspiegelt. Zu gemäßigter Abstraktion kommt Wiehl durch die Bekanntschaft mit dem gegenstandsfreien Maler „Max Ackermann“.

Breiten Raum nehmen neben Schwarzwald- und Bodenseelandschaften auch südliche Motive, Stillleben und Selbstbildnisse ein. In ihrer Vielfältigkeit spiegeln auch sie Wiehls gestalterische Phantasie und Souveränität.

Wiehl, der in St. Georgen eine florierende Honigfabrik betreibt, kann sich finanziell unabhängig nicht nur als Künstler frei von äußeren Rücksichtnahmen entfalten, er kann auch ausgedehnte Reisen unternehmen. Hierbei lernt er so berühmte Maler wie Lèger, Chagall, Picasso kennen.

In der Zwischenzeit ist Hermann Wiehl mit seinen Bildern in Museen und verschiedenen öffentlichen Einrichtungen repräsentativ vertreten.

Marie-Theres Scheffczyk
Website-Bauen.de
Wir verwenden Cookies, um Ihnen das bestmögliche Erlebnis zu bieten. Durch weitere Nutzung dieser Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Unter Datenschutz erhalten Sie weitere Informationen.
OK